
Klimaschutz leidet unter (Heiz)Pilzbefall
JA, die Gastronomie leidet wie kaum eine andere Branche unter der Corona-Krise. Ja, die Gastronomen unserer Stadt brauchen Unterstützung (übrigens ALLE, nicht nur diejenige, die über üppige Freisitzflächen verfügen).
Ja, die Freisitzsaison soll bis zur nächsten verlängert werden. Und JA, die Freisitzgebühren sollen erlassen werden.
Aber NEIN, das Verbot für klimaschädliche Heizpilze musste keinesfalls im „Hau-Ruck-Verfahren“ aufgehoben werden, um DANACH mit den Gastronomen zu verhandeln, welche Alternativen es gäbe. Dass Gäste nicht gerne frieren mag sein. Die selben Gäste, die ohne Heizpilze und -strahler in Scharen den Advents-, Weihnachts-, Neujahrsund Dreikönigsmarkt besuchen und denen Bratwurst, Prager Schinken und Glühwein dennoch schmeckt.
Die selben Gäste, die bereits bei den ersten Sonnenstrahlen in Decken und Mäntel gehüllt den ersten Cappuccino oder Eiskaffee genießen.
Speyer hat auf Antrag der LINKEN den Klimanotstand ausgerufen und die Corona-Krise ist letztlich auch ein Effekt der Klimakrise. Bei maximaler Leistung stößt ein Heizpilz bis zu 3,5 Kilogramm CO2 pro Stunde aus. Wenn er dann durchschnittlich 40 Stunden in der Woche gebraucht wird, entstehen pro Heizstrahler bis zu vier Tonnen Kohlendioxid jährlich. Ein trauriger Beitrag den unsere Stadt zum Klimaschutz leistet.
Dass auch die Fraktionen, die sich für die Verbannung des Autoverkehrs aus der Stadt und freie Fahrt für Fahrradfahrer*innen stark machen für die Genehmigung der Heizpilze aussprachen kann nur den bevorstehenden Wahlkämpfen oder der Verhöhnung eigener Ziele geschuldet sein.
DIE LINKE bedauert es, dass über den von der FDP-Fraktion eingebrachte Antrag nicht wie vom LINKEN-Fraktionsvorsitzenden Aurel Popescu angeregt einzeln abgestimmt wurde sondern nur das „Gesamtpaket“ zur Debatte stand. Also „alles oder nichts“ - daher enthielt sich die Fraktion.
„Wir haben signalisiert sowohl der Verlängerung der Freisitzsaison, dem Erlaß der Gebühren wie auch der Prüfung des Aufstellens von Zelten und Überdachungen zuzustimmen. Das Heizpilzverbot aufzuheben halten wir für das falsche Signal. Meiner Bitte um Teilung des Antrags wurde nicht entsprochen. Das ist ärgerlich und zu bedauern.“
"Erst den Klimanotstand ausrufen und dann die Innenstadt aufheizen, als wäre sie ein Wohnzimmer. Das passt nicht zusammen", bestätigt SWR-Umweltexperte Werner Eckert.
Dieser Auffassung schließt sich Stadtverbandsvorsitzende und Landtagskandidatin Kim Brinkmann an: „Heute gehen alle mit FFF auf die Straße, CDU, Grüne, FDP: sie alle halten das Schild KLIMASCHUTZ hoch, nur um ihn kurz vorher zu vergessen und zu verraten. Vielleicht spielte auch die Angst, die Gunst der Gastronomen zu verspielen eine große Rolle, gelten diese doch als Multiplikatoren und wichtige Faktoren im Wahlkampf. DIE LINKE steht zu ihren Zielen UND zu den Speyerer Gastronomen. Jetzt bleibt nur an die Vernunft und das Gewissen der Unternehmer*innen zu appellieren, klimafreundlichere Möglichkeiten als Heizpilze zu wählen.“
Einen ganz anderen Aspekt führt Fraktionsvize Paul Lehr an, nämlich den der Ungleichbehandlung.
„Die Innenraumgastronomen waren die Ersten, die schließen mussten und sind die, die am schlimmsten unter den Einbußen leiden. Sie haben keine Freisitze, profitieren weder von vergangenen noch zukünftigen Maßnahmen. Viele werden dicht machen müssen und uns geht unser Speyerer Nacht- und Kulturleben vor die Hunde. In sechs Monaten ist es der Verwaltung nicht gelungen auch nur einen Ansatz zu finden, hier zu unterstützen.“ Dass besonders die „großen Gastronomen“ vor allem auf der Maximilianstraße profitieren stößt Lehr sauer auf: „Wieder einmal vergisst man die Kleinen und treibt deren Verdrängung voran.“
Zum Heizpilzbefall gesellt sich der Spaltpilz – quo vadis Speyer?